Halt den Mund und atme!
14. März 2019
„A perfect man breathes as if he is not breathing “
Lao Tsu
Die Atmung ist einer der elementarsten Vorgänge, den wir zum Überleben brauchen. Seit wir auf die Welt gekommen sind, atmen wir. Niemand hat es uns beigebracht. Doch Atmen ist nicht immer gleich Atmen, und obwohl die Atmung ohne unser Zutun abläuft, können wir willentlich Einfluss darauf nehmen. So kam es dazu, dass sich viele Konzepte wie die Wim Hof Methode, Pranayama oder Buteyko um die Atmung entwickelt haben. Man bekommt Tipps über die Atmung in verschiedensten Bereichen. Diese reichen von diversen Sportarten bis hin zu alltäglichen Situationen, wo einem zum Beispiel gesagt wird man solle tief durchatmen. Im Folgenden möchte ich gerne einige Fakten und Konzepte zur Atmung aufgreifen, die durchaus von Bedeutung sind.
Der Mund ist zum Reden und die Nase zum Atmen
Der Mensch ist fast das einzige Säugetier, was in der Lage ist, durch den Mund zu atmen (Hunde sind unter anderem eine weitere Ausnahme). Das heißt jedoch nicht, dass es unbedingt von Vorteil ist, diese Fähigkeit auch auszunutzen. Die nasale Atmung bringt eine Bandbreite an Vorteilen, und die Mundatmung dementsprechend einige Nachteile mit sich.
Ein großer Faktor, wieso die nasale Atmung besser ist, liegt darin, dass die Atemluft mit Stickstoffmonoxid (NO) aus den Nasennebenhöhlen angereichert wird. Stickstoffmonoxid sorgt für eine Vasodilatation (Gefäßweitung), was unter anderem auch zu einer besseren Durchblutung der Lungenbläschen führt. Die Folge ist eine bessere Sauerstoffsättigung des Blutes, im Vergleich zur Mundatmung. Des Weiteren sorgt das NO für eine Sterilisation der Atemluft. Die Befeuchtung und Klimatisierung der Luft sind weite Aufgaben, die die Nase übernimmt (4, 5).
Mundatmung hat nicht nur physiologische Effekte, sondern kann sogar morphologische Veränderungen hervorrufen. Eine schiefe Nase, schiefe Zähne, schlecht definierte Wangenknochen und ein eingesunkener Unterkiefer können durch Mundatmung hervorgerufen werden. Eine Vielzahl von Studien konnte belegen, dass Mundatmung gerade in der Kindheit die Gesichtsstruktur morphologisch verändern kann (2, 6). Daher ist eine nasale Atmung immer der Mundatmung vorzuziehen. Vor allem im Kindesalter sollten die Grundlagen für richtige Atemgewohnheiten gelegt werden, um negative Auswirkungen der chronischen Mundatmung zu verhindern.
Wenn man tagsüber durch die Nase atmet, bedeutet das nicht automatisch, dass man es in der Nacht auch tut. In dem Buch "the Oxygen Advantage" empfiehlt Patrick McKeown, sich ein paar Nächte in Folge den Mund mit Tape zuzukleben. Das dient zur Überprüfung und der Neuerlernung der nasalen Atmung im Schlaf (6).
Wohin mit der Luft?
Zusätzlich kann die Atmung noch in Brust- und Bauchatmung unterteilt werden. Obwohl es stets die Lunge ist, die sich mit Luft füllt, kann die Inspiration unterschiedlich eingeleitet werden. Bei der Bauchatmung wird durch das Anspannen des Zwerchfells (Diaphragma) ein Unterdruck erzeugt und die Luft in die Lunge angesaugt wird. Hierbei werden auch die tiefen Lungenbläschen mit Luft gefüllt. Bei der Brustatmung wird überwiegend die Zwischenrippenmuskulatur benutzt, und es handelt sich um eine weniger tiefe Form der Atmung. Ob man eher in die Brust oder in den Bauch atmet, ist kontrollierbar und oft eine Gewohnheitssache. Durch flache Brustatmung wird das sympathische Nervensystem aktiviert, was den sogenannten „Fight or Flight“ – Modus hervorruft. Die Ausschüttung von Stresshormonen und ein erhöhter Blutdruck sowie eine erhöhte Herzfrequenz sind die Folge. Chronisches Brustatmen löst somit auch einen chronischen Stresszustand aus, was verheerende gesundheitliche Folgen nach sich ziehen kann (6).
Durch kontrollierte Zwerchfellatmung wird ein gegensätzliches Signal ausgelöst. Der Körper entspannt, und Blutdruck und Herzfrequenz fallen ab. Es gibt einen Grund, dass die bewusste Atmung bei jeder Entspannungsmethode eine wichtige Rolle spielt (1, 7).
Weniger ist manchmal mehr
Bei der Atmung geht es letztendlich darum, die körpereigenen Zellen mit Sauerstoff zu versorgen. Das Molekül, das für die Bindung und den Transport von Sauerstoff zuständig ist, ist das Hämoglobin (Hb) in unseren roten Blutzellen. Hämoglobin ist nicht nur dafür zuständig, den Sauerstoff zum Gewebe zu transportieren, es ist auch für den Rücktransport von Kohlenstoffdioxid (CO2) verantwortlich. Die Affinität vom Hämoglobin zu Sauerstoff sinkt mit einem abfallenden pH-Wert oder mit einer zunehmenden CO2-Konzentration. Dies ist als Bohr-Effekt bekannt (3, 6).
Oftmals wird Atmung nur jener Seite betrachtet, dass viel Sauerstoff eingeatmet und viel Kohlendioxid abgeatmet werden muss. Der Sauerstoff aus dem Blut muss jedoch auch im Gewebe ankommen. Der Bohr-Effekt sorgt dafür, dass zum Beispiel unter Belastung, die Regionen, in denen mehr CO2 angehäuft wird, besser mit O2 versorgt werden. Durch schnelles und hartes Atmen, atmen wir CO2 aus, was in einem höheren pH-Wert resultiert. Durch den beschriebenen Bohr-Effekt steigt nun die Affinität des Hb zum Sauerstoff, so dass weniger Sauerstoff ins Gewebe abgegeben wird. Eine hohe Sauerstoffsättigung ist nicht alles. Der Sauerstoff muss auch bei den Zellen ankommen, wo er benötigt wird. Daraus folgt, dass es auch ein Zuviel an Atmen gibt, was in geringerer Effizienz und erhöhtem Stress resultiert (6).
Atmen im Training
Die ideale Atmung unter Belastung hängt natürlich von der Art der Belastung ab. Bei zyklischen kardiovaskulären Aktivitäten empfiehlt sich eine regelmäßige und möglichst ruhige Atmung. Die Atemfrequenz sollte dabei an die Intensität der Belastung angepasst sein.
Beim schweren Krafttraining sieht die ganze Sache etwas anders aus. Wenn sich der Rumpf mit gefüllter Lunge anspannt, dient das Luftposter als zusätzliche Stabilisierung der Wirbelsäule von ventraler Seite. Außerdem kann beim Anhalten des Atems mehr Aktivität der Rumpfmuskulatur aufgebaut und aufrechterhalten bleiben. Das resultiert in dem sogenannten Valsalva-Manöver (Pressatmung). Die Folge durch den Rückstau der Expirationsluft (Ausatmung) ist ein wesentlich erhöhter Blutdruck. Trotzdem empfehle ich das kontrollierte und geübte Valsalva-Manöver bei schwerem Krafttraining, da das Risiko für eine orthopädische Verletzung wesentlich größer ist, als ein internistisches Problem.
Fazit
Auch wenn jeder Mensch atmen „kann“, sollte einem bewusst sein, dass die Atmung mehr ist als lediglich nur ein Gasaustausch. Gerade im Alltag empfiehlt sich eine ruhige, kontrollierte Bauchatmung. Dies bringt nicht nur immense gesundheitliche, sondern auch psychologische Vorteile, wie mehr Ruhe und weniger Angst, mit sich. Die Atmung sollte sonst den entsprechenden Umständen angepasst sein.
„Control your breath and control your life“
Quellen
1 Ferreira, J., B., Plentz, R., D., Stein, C., Casali, K., R., Arena, R. & Lago, P., D. (2011). Inspiratory muscle training reduces blood pressure and sympathetic activity in hypertensive patients: a randomized controlled trial. Int J Cardiol, DOI: 10.1016/j.ijcard.2011.09.069.
2 Harari, D., Redlich, M, Miri, S., Hamud, T. & Gross, M. (2010). The effect of mouth breathing versus nasal breathing on dentofacial and craniofacial development on orthodontic patients. Wiley Online Library, DOI: 10.1002/lary.20991.
3 Jensen, F., B. (2004). Red blood cell pH, the Bohr effect, and other oxygenation – linked phenomena in blood 02 and CO2 transport. Wiley Online Library, DOI: 10.111(j.1365-201X.2004.01361.x.
4 Lundberg, J., O., Settergren, G., Gelinder, S., Lundberg, J., M., Alving, K. & Weitzberg, E. (1996). Inhalation of nasally derived nitric oxide modulates pulmonary function in humans. Wiley Online Library, DOI: 10.1046/j.1365-201X.1996.557321000.x.
5 Lundberg, J., O. (2008). Nitric Oxide and the Paranasal Sinuses. Wiley Online Library, DOI: 10.1002/ar.20782.
6 McKeown, P (2015). The Oxygen Advantage: Simple, Scientifically Proven Breathing Techniques to Help You Become Healthier, Slimmer, Faster, and Fitter. New York: William Morrow.
7 Wang, S., Li, S., Xu, X., Lin, G., Shao, L., Zhao, Y. & Wang, T., H. (2010). Effect of Slow Abdominal Breathing Combined with Biofeedback on Blood Pressure and Heart Rate Variability in Prehypertension. The Journal of Altermative and Complementary Medicine, DOI: 10.1089/acm.2009.0577.