Meditation aus Sicht der Wissenschaft

03. November 2018

Meditation aus Sicht der Wissenschaft


In der jüngeren Vergangenheit hat Meditation auch in der westlichen Welt deutlich an Popularität gewonnen und ist ein gängiger Bestandteil im Leben vieler Leute geworden. Nichtsdestotrotz wird Meditation oft genug als esoterischer Humbug abgestempelt, und viele Menschen sind sich nicht über die Vorteile im Klaren. Der folgende Artikel zeigt eine Auswahl an wissenschaftlichen Studien über die positiven psychologischen und physiologischen Effekte von meditativen Praktiken und soll somit etwas Aufklärung schaffen.

 

Bewusstseinszustände

 

Die Nervenzellen in unseren Gehirnen geben elektrische Signale ab. Durch ein Elektroenzephalogramm (EEG) können die Spannungsschwankungen gemessen und dargestellt werden. Dabei sind bestimmte Frequenzen der Wellenmuster charakteristisch für verschiedene Bewusstseinszustände. Während einer Mitgefühlsmeditation konnte bei acht Langzeitpraktizierenden ein Level an Gamma-Wellen gemessen werden, was zuvor noch nie in der neurowissenschaftlichen Literatur dokumentiert wurde (12). Unter den Probanden war der berühmte buddhistische Mönch Matthieu Ricard, der als „glücklichster Mensch der Welt“ bekannt geworden ist. Gamma-Wellen sind Frequenzen im Bereich von über 30 Hz und treten sonst nur im Zustand höchster Konzentration auf. Bei Achtsamkeits- und Atemmeditationen treten üblicherweise vermehrt Theta- und Deltawellen auf, die sonst im Schlaf auftreten und für einen Entspannungszustand stehen (11).

 

Veränderungen im Gehirn

 

Eine Vielzahl an Studien hat bereits gezeigt, dass sich die Gehirne von Meditierenden sowohl strukturell als auch funktionell von Nicht-Meditierenden unterscheiden (4, 5, 6). Die Gehirne von Meditationspraktizierenden sind mit einer höheren Dichte an grauer Substanz in bestimmten Hirnregionen assoziiert (5). In einer Metaanalyse fassten Boccia et al. (2015) die Ergebnisse mehrerer funktioneller Magnetresonanz-Tomographie (fMRT)-Studien zusammen. Die Ergebnisse waren ein erhöhtes Volumen an grauer Substanz von Langzeitmeditierenden in Bereichen des Gehirns, die mit Funktionen wie Selbstwahrnehmung, Selbstregulation, Aufmerksamkeit, Problemlösung und Gedächtnis in Verbindung gebracht werden. Es handelt sich konkret um die Regionen von rechtem anterior cingulären Cortex und Thalamus sowie im linken frontalen Gyrus und Precuneus. Funktionelle Unterschiede in Hinblick auf erhöhte Hirnaktivität bestanden in Bereichen des frontalen und präzentralen Gyrus, anterioren cingulären Cortex, der Insula und dem Claustrum auf der linken Hemisphäre sowie dem inferior frontalen Gyrus, Precuneus und Thalamus in der rechten Hemisphäre. Außerdem besteht bei Meditierenden eine geringere Reaktivität in der Amygdala, die unter anderem für emotionale Bewertung und Furchtkonditionierung zuständig ist (10). So können wir festhalten, dass sich Meditation sowohl strukturell wie auch funktionell auf das Gehirn auswirkt.

 

Angst- und Schmerzwahrnehmung

 

Es wurden eine Reihe an Untersuchungen von Meditationsinterventionen im klinischen Bereich als Schmerztherapie gemacht. In einem Review fassten Nascimento et al. (2018) die Ergebnisse von 9 verschiedenen kontrolliert-randomisierten Studien, die mit chronischen Schmerzpatienten durchgeführt wurden, zusammen.

Die Resultate der Meditationsinterventionen war eine signifikant verringerte affektive Schmerzwahrnehmung. Ein besserer Umgang mit dem Schmerz machte sich bemerkbar, die sich durch eine allgemein bessere geistige Gesundheit, besseres Schmerz-Selbstmanagement und insgesamt geringere Schmerzen auszeichnete. Weitere Ergebnisse waren weniger Angst, Katastrophisieren und Depression. Eine signifikante Reduktion von Angstzuständen im Allgemeinen zeigte sich auch bei gesunden Populationen. 33 von 40 Studien, die von Bamber und Schneider (2016) in einer Metaanalyse betrachtet wurden, konnten dies aufzeigen.

 

Aufmerksamkeit

 

Aufmerksamkeit ist eine limitierte menschliche Ressource, die für die Qualität und Quantität von diversen Lebenstätigkeiten sehr entscheidend sein kann. Meditative Übungen schulen die Aufmerksamkeit, wodurch eine bessere Konzentration im Alltag gewährleistet werden kann. Die Hypothese unterstützen auch Van Leeuwen et al. (2009), die einen Aufmerksamkeitstest mit einer älteren Gruppe an Langzeitmeditierenden, einer älteren Kontrollgruppe und einer jüngeren Kontrollgruppe durchführten. Die Meditationsgruppe schnitt bei dem Test deutlich besser als die gleichalte Kontrollgruppe und bemerkenswerterweise ebenfalls besser als die jüngere Kontrollgruppe ab. Die Aufmerksamkeit wurde mittels einem Aufmerksamkeitsblinktests gemessen. Bei diesem Test nimmt die Leistung charakteristischerweise im zunehmendem Alter ab. Die Studie zeigt, dass die Aufmerksamkeit durch Meditation verbessert werden kann und auch, dass Mediation präventiv für Kognitionseinbußen im fortgeschrittenem Alter sein kann.

 

Stress und Immunsystem

 

Dass Meditation eine stressreduzierende Wirkung hat ist ein no brainer. Die Stressreduktion hat jedoch neben dem besseren Wohlbefinden den weiteren Effekt, dass das Immunsystem besser funktioniert. Untersuchungen haben gezeigt, dass Meditation die stressinduzierte Immunreaktion verringert (14) und für eine gesündere Mikrobiota sorgt. Des Weiteren konnte mittels Blutuntersuchungen an Praktizierenden der transzendentalen Meditation (TM) und einer Kontrollgruppe gezeigt werden, dass Langzeitmeditierende ein höheres Niveau an Immunzellen aufweisen. Eine signifikant höhere Anzahl an CD3+-, CD4--, CD8+-Lymphozyten, B-Lymphozyten und natürlichen Killerzellen im Vergleich zur Kontrollgruppe lag vor (8).

 

 

Fazit

 

Es konnte anhand einiger Beispiele gezeigt werden, dass meditative Praktiken eine Reihe an positiven Effekten mit sich bringen. Allerdings kann ich aus eigener Erfahrung nur sagen, dass die wahre Magie jenseits vom Messbaren und Quantifizierbaren stattfindet. Gerade bei Meditation sollte nicht versucht werden, alles zu rationalisieren und Ursache- und Wirkungszusammenhänge zu finden, sondern das Praktizieren sollte im Vordergrund stehen. Auch wenn sich einige gemeinsame und messbare Outcomes statistisch belegen lassen, sind die subjektiven Erfahrungen des Einzelnen von größter Bedeutung. Die Auseinandersetzung mit den Wurzeln der Meditation und das Kennenlernen der verschiedenen Richtungen der Meditationspraxis kann eine sehr bereichernde Erfahrung für das Leben sein. Auch hier gilt: Practice is key!

Quellen

 

1 Bamber, M., D. & Schneider, J., K. (2016): Mindfulness-based meditation to decrease stress and anxiety in college students: a narrative synthesis oft the research. Educational Research Review, 18, 1-32.

 

2 Basso, J., C., Mchale, A., Ende, V., Oberlin, D., J. & Suzuki, W., A. (2018): Brief, daily meditation enhances attention, memory, mood, and emotional regulation in non-experienced meditators. Behavioural Brain Research, 356, 208-220.

 

3 Bohlmeijer, E., Prenger, R., Taal, E. & Cuijpers, P. (2010): The effects of mindfulness-based stress reduction therapy on mental health of adults with a chronic medical disease: A meta-analysis. Journal of Psychosomatic Research, 68, 539-544.

 

4 Boccia, M., Piccardi, L. & Guariglia, P. (2015): The meditative mind: a comprehensive meta-analysis of mri studies. Biomedical Research International. DOI: 10.1155/2015/419808

 

5 Engen, H., G., Bernhardt, B., C., Skottnik, L., Ricard, M. & Singer, T. (2018): Structural changes in socia-affective networks: multi-modal mri findings in long-term meditation practicioners. Neuropsychologia, 116, 26-33.

 

6 Hölzel, B., K., Carmody, J., Vangel, M., Congleton, C., Yerramsetti, S., M., Gard, T. & Lazar, S., W. (2011): Mindfulness practice leds to increases in regional brain gray matter density. Psychiatry Research, 30, 36-43.

 

7 Househam, A., M., Peterson, C., T., Mills, P., J. & Chopra, D. (2017): the effects of stress and meditation on the immune system, human microbiota, and epigenetics. Advances in mind-body medicine, 31, 10-25.

 

8 Infante, J., R., Peran, F., Rayo, J., I., Serrano, J., Dominguez, M., L., Garcia, L., Duran, C. & Roldan, A. (2014): Levels of immune cells in transcendental meditation practicioners. IJOY, 7, 147-151.

 

9 Keng, S., Smoski, M., J. & Robins, C., J. (2011): Effects of mindfulness on psychological health: A review of empirical studies. Clinical Psychology Review, 31, 1041-1056.

 

10 Kral, T., R., A., Schuyler, B., S., Mumford, J., A., Rosenkranz, M., A., Lutz, A. & Davidson, R., J. (2018): Impact of short- and long-term mindfulness meditation training on amygdala reactivity to emotional stimuli. Neuroimage, 181, 301-313.

 

11 Lagopoulos, J., Xu, J., Rasmussen, I., Vik, A., Malhi, G., S., Eliassen, C., F., Arntsen, I., E., Saether, J., G., Hollup, S., Holen, A., Davenger, S. & Ellingsen, Ø. (2009): Increased theta and alpha eeg activity during nondirective meditation. Journal of alternative and complementary medicine, DOI: 10.1089/acm.2009.0113.

 

12 Lutz, A., Greischar, L., L., Rawlings, N., B., Ricard, M. & Davidson, R., J. (2004): Long-term meditators self-induce high-amplitude gamma synchrony during mental practice. PNES, 101, 16369-16373.

 

13 Nascimento, S., S., Oliveira, L., R. & DeSantana, J., M. (2018): Correlations between brain changes and pain management after cognitive and meditative therapies: A systematic review of neuroimaging studies. Complementary Therapies in Medicine, 39, 137-145.

 

14 Pace, T., W., W., Tenzin Negi, L., Adame, D., Cole, S., P., Sivilli, T., Brown, T., D., Issa, M., J., & Raison, C., L. (2009): Effect of compassion meditation on neuroendocrine, innate immune and bahavioral responses to psychosocial stress. Psychoneuroendocrinology, 34, 87-98.

 

15 Van Leeuwen, S., Müller, N., G. & Melloni, L. (2009): Age effects on attentional blink performance in meditation. Consciousness and Cognition, 18, 593-599.