Missverstandene Begrifflichkeiten: Mobility
23. Mai 2018
Missverstandene Begrifflichkeiten: Mobility
Es passiert nur zu oft heutzutage, dass man in Fitnessstudios hört „roll Das aus, aktiviere Dies, mobilisier Jenes“. Zusätzlich wird mit Begrifflichkeiten wie „verkürzt“ oder „verklebt“ rumgeschmissen. Nur leider wissen die wenigsten Leute im ganzen Trubel aus Dehnübungen kombiniert mit einer Blackroll und Resistance Bands was sie da gerade tun und vor allem wieso sie es tun.
Mobilität und Flexibilität
Zunächst muss zwischen den beiden Begriffen unterschieden werden. Per Definition beschreibt der Begriff Flexibilität die Biegsamkeit von etwas. Sprich die Eigenschaft gebogen zu werden, ohne zu brechen. Mobility leitet sich vom lateinischen "movere" ab und beschreibt eher die Fähigkeit zur freien Bewegung. Im Sport wird der Begriff Mobility auf den Bewegungsradius eines Gelenkes bezogen und das Wort Flexibilität wird genutzt um Dehnfähigkeit eines Muskels zu beschreiben.
Stretching und Release
Man sollte sich zu aller Erst über den kurzfristigen und den langfristigen Effekt vom Stretching und dem Self Myofascial Release (SMR) im Klaren sein. Zunächst wird durch Stretching sehr schnell eine höhere Bewegungsreichweite erreicht. Dabei liegt jedoch nicht zu Grunde, dass sich ein Muskel plötzlich verlängert hat oder eine Gelenkkapsel weicher geworden ist. Es ist lediglich eine erhöhte Schmerztoleranz und eine neuronale Anpassung in der Reflexminderung der Antagonisten. Um einen langfristigen physiologischen und strukturellen Effekt zu erzielen, benötigt es einige Zeit, Wiederholung und Intensität. Der kurzfristige Effekt durch Stretching oder Release ist keineswegs unnütz, man sollte diesen jedoch gezielt einsetzen und die erhöhte Beweglichkeit in Bewegungsmuster im Training einbetten. Daraus ergibt sich auch, dass es nur sinnvoll ist, sich ein Gelenk vor dem Training durch Stretching und SFR vorzunehmen, was mich auch in einer Bewegung, die ich durchführen möchte einschränkt.
Passive und aktive Beweglichkeit
Wenn es um Beweglichkeit geht, gilt es auch zwischen aktiver und passiver Beweglichkeit zu differenzieren. Es ist ein großer, Unterschied ob jemand schlichtweg passiv in eine Position zwingen kann oder ob er diese auch aktiv erreichen und kontrollieren kann. Wenn eine große Diskrepanz zwischen aktiver und passiver Beweglichkeit besteht, kann das ein Faktor sein, der Verletzungen begünstigt. In diesem Falle kann ein Gelenk in verschiedene Positionen geraten, die jedoch nicht stabilisiert werden können. Es besteht nicht unbedingt die Notwendigkeit für Jedermann einen Spagat zu können. Wichtiger sollte die volle Kontrolle über den ganzen Bewegungsradius eines Gelenkes sein. Eine hohe passive Beweglichkeit ohne Kontrolle über den ganzen Bewegungsradius ist letztendlich nur eine unnütze "Range".
Prinzip der Spezifität
Das Prinzip der Spezifität ist eine grundliegende Komponente im Krafttraining. Wenn ich in einer Bewegung stärker oder besser werden möchte dann ist es am sinnvollsten, diese Bewegung auch zu trainieren. Zusätzlich können einige Zubringerübungen als Ergänzung gewählt werden. Das gleiche Prinzip lässt sich auch auf Beweglichkeitstraining anwenden. Die beste Übung, um in einer Bewegung beweglicher zu werden, ist meistens die Übung selbst. Über vermehrte Wiederholungen und verbrachte Zeit in der Endposition der Bewegung selbst, ermöglichen wir erst eine Anpassung. Wenn Jemand beispielsweise Beweglichkeitsprobleme in der tiefen Kniebeuge hat, wird es vermutlich das Effektivste sein, viel Zeit in der tiefen Position der Beuge zu verbringen. Wenn die eigentliche Position oder Bewegung nicht möglich ist, sollte man sinnvolle Vereinfachungen in Betracht ziehen. Erst wenn das getan wird, kann man darüber nachdenken sich einzelne Problemfälle wie die Sprunggelenke oder die Hüfte gezielt vorzunehmen.
Komplexität
Beim Krafttraining kam irgendwann die Idee auf, dass es sinnvoll ist, komplexe mehrgelenkige Übungen durchzuführen. Auch hier gilt die gleiche Idee für Das Training der Beweglichkeit. Wieso ewig Zeit mit isolierten Dehnübungen verschwenden, wenn man auch mehrere Baustellen gleichzeitig in komplexe Muster integrieren kann. Man sollte jedoch die nötige Beweglichkeit und vor allem Kontrolle über die Bewegungen in allen beteiligten Gelenken vorweisen, bevor man sich an komplexere Stretches und Übungen wagt.
Seitigkeitsdifferenzen
Seitigkeitsdifferenzen können ein größeres Problem darstellen. Wenn bei bilateralen Bewegungen eine Seite, sei es durch ein Beweglichkeitsdefizit, Kraftdefizit oder Beidem, keine symmetrische Bewegung zulässt, kommt es zu Ausweichbewegungen und Fehlbelastungen. Dadurch können ernsthafte Verletzungen entstehen, die vermieden werden können. Es ist nie verkehrt mal zu prüfen oder prüfen zu lassen, ob Schlüsselgelenke wie Schulter und Hüfte symmetrisch arbeiten.
Fazit
Mobilität spielt eine wesentliche Rolle im Sport und Krafttraining. Beim Training der Beweglichkeit sollte man gezielt vorgehen und nicht sinnlos Zeit auf der Rolle verschwenden. Spezifität ist vor allem ein sehr wichtiger Punkt. Man sollte sich stets fragen: „für welche Bewegung brauche ich welche Beweglichkeit?“. Wenn ein Problempunkt besteht, sollte man auch daran arbeiten. Hierbei gilt es zu differenzieren, was tatsächlich sinnvoll ist und was nicht. Die kurzfristige Wirkung vom dynamischen Stretching kann man wunderbar im Warm Up benutzen, um die nachfolgenden Bewegungen und Übungen qualitativ zu verbessern. Lasst euch jedoch nicht von neurologischen Tricks verzaubern. Anpassung im Gewebe und die Kraft vor allem den Endradius einer Gelenkbewegung zu kontrollieren, erfordert viel Zeit, Geduld und vor allem Training. Wichtig bleibt, dass Sicherheit immer vorgeht. Man sollte zunächst versuchen die Lücke, zwischen aktiver und passiver Beweglichkeit zu schließen und Asymmetrien einigermaßen anzugleichen. Für konkrete Ansätze und Anwendungen empfehle ich die Ansätze von Ido Portal (Movement Culture), Dr. Andreo Spina (Kinstretch) und Dr. Quinn Henoch (Juggernaut Training Systems). Am Ende des Tages ist Beweglichkeit Freiheit für Bewegungen.